29.01.2024

Kein „Einlenken“, sondern Stärkung der eigenen Position! Wie Sozialdemokraten auf den Rechtspopulismus im Superwahljahr 2024 reagieren sollten. Von Adina Marincea

Mit dem Einzug der Allianz für die Einheit der Rumänen (AUR) ins Parlament im Jahr 2020 haben rechtsradikale Kräfte ihre Position in Rumänien konsolidiert und an Zuspruch gewonnen. Welche Strategie wird die AUR im Superwahljahr 2024 an den Tag legen? Was sollten Sozialdemokraten dem rechtsradikalen Populismus entgegensetzen? Nach der Auffassung der Autorin dieses Artikels sollte die PSD ihre eigene Position konsolidieren und keineswegs mit der AUR kooperieren.

Das Wiedererstarken der extremen Rechten in Rumänien ist im Kontext der internationalen Trends keine Neuigkeit mehr. Der Optimismus einiger politischer Analysten vor den Wahlen 2020, dass Rumänien hinsichtlich des Zuspruchs für rechtsextreme Kräfte eine Ausnahme bleiben würde oder bleiben könnte, ist spätestens mit dem Einzug der AUR ins Parlament obsolet geworden. Seitdem ist es der rechtspopulistischen Partei AUR gelungen, ihre Position zu festigen und ihre Popularität von etwas mehr als 9 % bei der Wahl auf 19 bis 20 % zu steigern, wie Umfragen zeigen, in denen sich die Partei zwischen dem zweiten und dritten Platz in der Wählergunst bewegt. Ein beachtlicher Sprung, für den wir im Folgenden einige Gründe ausführen.

Der Erfolg der AUR hat auch andere rechtsradikale Politikerinnen und Politiker dazu inspiriert, sich das Rezept der AUR zu eigen zu machen, in der Hoffnung, auf dem Umweg über den sozialkonservativen Ultranationalismus einen ähnlichen Wahlerfolg zu erzielen. So sitzen derzeit die Vorsitzenden von drei ultranationalistischen Parteien im Parlament, obwohl zwei von ihnen ursprünglich auf den Listen der AUR kandidierten: Diana Iovanovici-Șoșoacă und ihre Partei SOS Rumänien sowie Mihai Lasca, Vorsitzender der Partei Rumänische Volkspatrioten (PPR).

Nach Vorwürfen des Antisemitismus, der Verharmlosung des Holocaust und des Extremismus aufgrund von entsprechenden Äußerungen und der Zusammenarbeit mit politischen Akteuren, die eine eindeutige Sympathie für die faschistische Legionärsbewegung oder für Marschall Ion Antonescu gezeigt haben, scheinen George Simion und die AUR in letzter Zeit ihre Strategie geändert zu haben. Die AUR soll zu einer „salonfähigen“ Partei für mögliche künftige Bündnisse gemacht werden. Auch soll die AUR in den Augen der bürgerlichen Mitte als weniger radikal erscheinen. Diese „Umwandlung“ soll durch Erklärungen wie jene über die Gewährung der rumänischen Staatsbürgerschaft an 800 000 israelische Bürger rumänischer Herkunft, durch ein Treffen mit dem israelischen Botschafter oder durch die jüngsten politischen Neuzugänge – namentlich der muslimische Geschäftsmann Mohammad Murad und der Politiker jüdischer Herkunft Ilan Laufer – erreicht werden. Dabei versucht die AUR, Vielfalt und Toleranz unter dem Dach des sozialkonservativen Nationalchristentums vorzutäuschen.

Dieser Schwenk blieb jedoch bei der potentiell ultranationalistischen Wählerschaft nicht unbemerkt, in deren Augen die AUR nun als zu „gemäßigt“ oder sogar „verräterisch“ erscheint; als Folge wanderte sie zu noch radikaleren rechten Parteien wie die SOS und die PPR ab. Die PPR von Mihai Lasca ist zwar noch nicht politisch relevant, könnte aber eine Bedrohung für die Demokratie darstellen, da sie bereits Personen mit radikalstem, zutiefst antisemitischem, rassistischem und fremdenfeindlichem Hintergrund ins Parlament gebracht hat, die mit einigen der berüchtigtsten rechtsextremen Propagandamedien wie der Website incorectpolitic.com in Verbindung stehen. Die SOS von Diana Iovanovici-Șoșoacă, die ähnliche rechtsradikale Ideen vertritt, stellt eine größere Bedrohung dar, da sie in den letzten Umfragen über der für den Einzug ins Parlament erforderlichen 5-%-Hürde liegt und weil Diana Iovanovici-Șoșoacă selbst aufgrund ihres politischen Bekanntheitsgrades in der politischen Rangliste ganz oben steht, wobei sie ein ähnliches Maß an öffentlichem Vertrauen genießt wie der PSD-Vorsitzende Marcel Ciolacu und sogar ein wenig vor George Simion liegt.

Wie bereiten sich die AUR und die Volksparteien auf das Superwahljahr 2024 vor?

Um den Erfolg der AUR zu verstehen, muss man sich ihre Wahlstrategie bei den Parlamentswahlen 2020 ansehen, als es ihr gelang, als kaum etablierte und für die meisten Wähler bis dahin unsichtbare Partei 9 % der Stimmen zu erhalten und damit die viertstärkste Fraktion im Parlament aufzustellen. Die AUR hat es geschafft, unbemerkt zu bleiben und die Menschen zu überraschen, weil sie an der Basis, auf lokaler Ebene, an Orten tätig war, die von den Medien und den großen Parteien vernachlässigt wurden. Sie wurde von Gemeinschaftsgruppen oder -organisationen wie orthodoxen Bruderschaften, Klöstern und religiösen Gemeinschaften unterstützt und hat alternative Online-Mediennetzwerke auf Facebook aufgebaut, die für den Mainstream ebenfalls unsichtbar sind, aber genau die Zielgruppe erreichen, die das Vertrauen in die so genannte „Lügenpresse“ verloren hat.

Die AUR hat Online- und Offline-Kommunikationsstrategien in geschickter Weise kombiniert, um die abgehängte und politikverdrossene Wählerschaft zu erreichen und ihr ein (künstliches) Gefühl der Hoffnung, Stärke und Würde zurückzugeben. George Simion hat das Land kreuz und quer bereist, hat mit Menschen gesprochen und sich dabei immer wieder filmen lassen, um in Live-Streams auf Facebook in populistischer Manier zu zeigen, dass er – im Gegensatz zu anderen Politikern – „volksnah“ sei. Wurde 2014 die Rolle von Facebook beim Wahlsieg von Präsident Klaus Iohannis von den liberalen Wählern noch enthusiastisch als eine Bestätigung der Demokratie gefeiert, so werden die sozialen Netzwerke nach 2020 eher als zweischneidiges Schwert gesehen, da ihre demokratisierende Fähigkeit die demokratischen Grundlagen auch untergraben kann.

In Vorbereitung auf das Superwahljahr 2024 wendet die AUR teils dieselben Taktiken an und profitiert darüber hinaus von großzügigen staatlichen Subventionen – in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 waren es 13,7 Millionen Lei (umgerechnet ca. 2,74 Mio. Euro). Geld, das die AUR auf eine Art und Weise investiert, die sich nur äußerlich von den etablierten Parteien unterscheidet. Während die großen Parteien PSD und PNL den größten Teil ihrer Mittel für „Presse und Propaganda“ ausgaben, lenkte die AUR sie in „Investitionen in bewegliche und unbewegliche Vermögenswerte“. Das Ziel ist in beiden Fällen Propaganda, die in der Grauzone der einschlägigen Gesetzgebung strategisch getarnt ist.

Obwohl sich die AUR rühmt, keine öffentlichen Gelder zu verwenden, um wohlwollende Artikel in der Presse zu platzieren, hat die Partei undurchsichtige und potenziell illegale Vereinbarungen mit den Medien getroffen und unterschiedliche Mechanismen gefunden, um die übliche Medienarbeit zu umgehen. Die investigative Presse hat aufgedeckt, dass die AUR über ein Netzwerk von Propaganda-Websites verfügt, was die Partei jedoch abstreitet (PressOne, 2021; Misreport, 2023).

Ein weiteres Beispiel für die zweckfremde Verwendung von Subventionen ist der Kauf von drei Lastwagen und einem Lieferwagen mit sanitärer Ausstattung für die sogenannte „Medizinische Karawane“ der AUR – obwohl Parteien rechtlich gesehen keine sozialen oder medizinischen Dienstleistungen erbringen dürfen. Hinzu kam der Kauf von 20 Schul-Kleinbussen mit AUR-Kennzeichnung als Spende für ländliche Schulen – auch in diesem Fall ist es Parteien gesetzlich nicht erlaubt, Spenden dieser Art zu betätigen. Der Fernsehsender Realitatea Plus wurde von der Rundfunk-Aufsichtsbehörde CNA wegen Wahlwerbung außerhalb der Wahlperiode mit einer Geldstrafe in Höhe von 10 000 Euro belegt, nachdem er vom 25. Oktober bis 5. November 2023 insgesamt 155 Mal einen Werbespot für das mobile Krankenhaus der AUR ausgestrahlt hatte. Auch einen Monat nach Erhalt der Geldstrafe wurde der Werbespot noch gesendet.

Schnappschuss vom TV-Werbespot für die „Medizinische Karawane“ der AUR im Sender Realitatea Plus (aufgezeichnet am 2. Dezember 2023, knapp einen Monat nach Verhängung der Geldstrafe durch den Rundfunkaufsichtsrat CNA)

Doch nicht allein die AUR hat den Wahlkampfauftakt vorweggenommen, etwa indem sie ihre Wahlpropaganda auf rechtlich fragwürdige Weise verschleiert hat, unter anderem durch das Aufstellen von Plakaten mit der Aufschrift „AUR in den Kreisrat (wählen)!“ in verschiedenen Städten, sondern auch die großen Parteien. Die PSD etwa wartete mit Nachhilfeunterricht für Studierende und augenärztlichen Sprechstunden in der Parteizentrale auf. Die PNL wiederum stellte ein Parteizelt für eine Unterschriftensammlung im Zusammenhang mit einer rechtlich zu klärenden Rückübertragung eines umstrittenen Grundstücks im Bukarester IOR-Park an private Eigentümer durch die Stadt auf, um sich als bürgernah zu inszenieren. Dies sind nur einige Beispiele für verdeckte Wahlwerbung (Expert Forum, 2023).

Den Ton der Undurchsichtigkeit im Geflecht zwischen Parteien, Subventionen und Presse haben jedoch die etablierten Parteien vorgegeben, die sich weigern, transparent zu machen, wohin die Gelder für die Pressearbeit fließen und welche Artikel bezahlte Werbung sind, was das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Medien auch generell beeinträchtigt. Vertrauliche Verträge, zwischengeschaltete Unternehmen, fiktive Dienstleistungen, Verträge mit TV-Portalen (viele TV-Spots, die im Fernsehen laufen, sind in Wirklichkeit verkappte und nicht gekennzeichnete politische Werbung) – dies sind nur einige Mechanismen, mit denen viele Medien politisch hörig gemacht wurden (Recorder, 2022). Die AUR erneuert also lediglich die Rezepte, die bereits von den anderen Parteien vor ihr etabliert wurden, während sie gleichzeitig diese Taktiken anprangert. Die Auswirkung dieser Praktiken auf die in einer Demokratie unerlässlichen Unabhängigkeit der Presse ist beträchtlich, denn die Medien werden dadurch von politischen Subventionen abhängig – Parteien erkaufen sich damit ihr Schweigen oder – gegenteilig – eine inszenierte Schlagfertigkeit in der Auseinandersetzung mit politischen Gegnern . Und die großen Parteien zahlen am Ende den Preis für ihre eigenen Praktiken, die dann von den rechtsradikalen Populisten geschickt als „systemkritisches“ Instrument übernommen werden.

Eine weitere Strategie, mit der sich die AUR von den großen Parteien unterscheidet, besteht darin, dass die großen Parteien ihre „Presse- und Propaganda“-Gelder in Fernsehen und Online-Medien investieren, während die AUR mit Subventionsgeldern ihre eigene Zeitung namens „Patrioții („Die Patrioten“) gegründet hat, die vollständig von der Partei kontrolliert wird. Die Zeitung hat in den letzten Monaten des Jahres 2023 bereits mehrere Millionen Exemplare verteilt. Auf diese Weise politisiert die AUR die Presse weiter und vermittelt der Öffentlichkeit, dass sie den Journalisten nicht vertrauen kann, sondern nur der Partei, die an die Stelle der Presse tritt. Diese Art der schrittweisen Kontrolle über die Presse – sowohl durch die Übernahme von Mainstream-Fernsehsendern als auch durch die Schaffung eines parallelen Medienökosystems, das die reale Presse imitiert, in Wirklichkeit jedoch nur Parteipropaganda produziert – erinnert an die antidemokratische Medieneroberungstaktik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán.

Titelseite der ersten Ausgabe der AUR-Zeitung „Patrioţii(Andrei, 2023).

Strategische Antworten der Sozialdemokratie auf den Rechtspopulismus: gute und weniger gute Ansätze

Als Reaktion auf den Erfolg der rechtspopulistischen und rechtsradikalen Kräfte haben einige europäische Mitte-Rechts-Parteien und – seltener – sogar einige Mitte-Links-Parteien (wie im Fall Dänemarks im Jahr 2015 – der Slogan der Sozialdemokratischen Partei Dänemarks bei den Wahlen 2015 lautete: „Wer nach Dänemark kommt, muss arbeiten.“) verschiedene Strategien erprobt, darunter auch die Anpassung an die Agenda der Rechtspopulisten. Einige sind sogar so weit gegangen, dass sie sich die rechtspopulistische Agenda zu eigen gemacht haben, in der Hoffnung, verlorene Wähler wieder anzulocken. Das deutlichste Beispiel sind die Positionierungen zur Einwanderung, die immer weiter nach rechts gerückt sind. Eine unwirksame Strategie, die den Rückgang der Mitte-Links-Parteien in der Wählergunst nicht aufgehalten hat.

In Osteuropa, wo die Zahl der Einwandernden geringer ist, bauen die Rechtspopulisten ihre Feindbilder im heimischen Umfeld auf, indem sie nationale Minderheiten schlechtmachen, dafür allerdings weniger gegen Einwandernde und Geflüchtete hetzen (Halikiopoulou & Vlandas, 2022) – obwohl es auch an diesem Diskurs nicht mangelt. Dies ist auch in Rumänien der Fall, wo George Simion und die AUR mit einer feindseligen Haltung gegenüber der ungarischen Gemeinschaft (insbesondere mit der nationalistischen Agitation rundum Soldatengräbern aus dem Zweiten Weltkrieg in Valea Uzului) Wahlkampfkapital geschlagen haben, während Diana Iovanovici-Soșoacă oder die PPR von Mihai Lasca sowie einige AUR-Senatsabgeordnete implizit oder explizit auf Antisemitismus setzen (obwohl die jüdische Gemeinschaft in Rumänien nur einige tausend Menschen zählt).

Was alle Ultranationalisten eint, ist ihre Militanz gegen LGBTQ+-Minderheiten, ihr Antisozialismus und ihre Feindseligkeit gegenüber der Fortschrittlichkeit (die oft als „Neomarxismus“, „politische Korrektheit“, „Gender-Ideologie“ usw. bezeichnet wird). Dies äußert sich in Stellungnahmen und Versuchen, Rechte wie das Recht auf Abtreibung und LGBTQ+-Rechte einzuschränken oder bestimmte Bürgerrechte nur für rumänische Staatsbürger gelten zu lassen.

Auch wenn die rechtsradikalen Populisten in Rumänien den „inneren Feind“ bekämpfen, während ihre Gesinnungsgenossen in Westeuropa den „äußeren Feind“ ins Visier nehmen, so eint sie doch der Nationalismus, der Souveränismus und der Antiglobalismus, die als vermeintliche Lösung gesehen werden, denn auch die „inneren Feinde“, seien es ethnische Minderheiten oder LGBTQ+-Menschen, sind ihrer Ansicht nach nichts anderes als ein Produkt des „(neo)marxistischen Globalismus“. Der Nationalismus wird daher als Lösung für alle Ängste der Wählerschaft propagiert, seien sie wirtschaftlicher oder kultureller Natur.

Der Unterschied zwischen Osteuropa und Westeuropa besteht darin, dass die Wählenden im Osten tendenziell religiöser sind, eher zum Autoritarismus und zum Sozialkonservatismus neigen, aber auch weniger besorgt über die Einwanderungsproblematik sind (Halikiopoulou & Vlandas, 2022) – zumindest wenn man die Wähler der populistischen radikalen Rechten in Ungarn, Polen und Slowenien betrachtet. Doch während in diesen Ländern die etablierten Parteien allmählich nach rechts abgedriftet sind, hat die Radikalisierung in Rumänien mit der AUR begonnen. Eine Radikalisierung der etablierten Parteien ist nicht ausgeschlossen, vor allem, wenn sie sich den populistischen Nationalismus der AUR zu eigen machen, wie sie manchmal signalisieren. Dies wäre jedoch insbesondere für sozialdemokratische Parteien eine nachteilige Entscheidung, da ultranationalistische Populisten auf ihrem eigenen Terrain immer die Oberhand behalten. In der Tat wurde eine solche Strategie unter dem Einfluss westlicher populistischer Strömungen bereits vor dem Aufkommen der AUR ausprobiert.

 

Beispiele für die Übernahme nationalistischer Botschaften der rechtsradikalen Populisten und Souveränisten durch Mainstream-Parteien während des Wahlkampfs für die Europawahlen 2019:

PSD-Slogan: Patrioten in Europa“ – eine Anlehnung an Donald Trumps Ansprachen an die „Patrioten“.

 

PNL-Wahlplakat: „Rumänien an erster Stelle“ – eine deutliche Anlehnung an Donald Trumps „America first“.

 

ALDE-Slogan: „Würdevoll in Europa“ – eine Andeutung der von euroskeptischen Souveränisten geschürten Ängste.

 

AUR-Plakat: „Patrioten in Europa“ – im Vorfeld der Europawahlen 2024 hat die AUR mühelos den Slogan der PSD von 2019 für seine Karawane übernommen.

Der theoretische und empirische Konsens (Ivan, 2023; Mudde, 2019; Krell et al., 2018) scheint jedoch zu sein, dass die Antwort auf die Herausforderung des rechtsradikalen Populismus nicht darin besteht, sich ihrer Blut-und-Boden-Ideologie und dem Ultrakonservatismus anzuschließen, in der Hoffnung, entfremdete Wählende zurückzugewinnen, sondern darin, zu den Kernwerten der Sozialdemokratie zurückzukehren: Gleichstellung, Gerechtigkeit und Sozialschutz, Solidarität mit den Schwächsten und ein umfangreicher Wohlfahrtsstaat.

Cas Mudde (2019) weist darauf hin, dass sich die Sozialdemokratie die Solidarität mit gefährdeten sozialen Gruppen ausbauen muss, die mehreren Arten von Diskriminierung und Unterdrückung ausgesetzt sind – oft an der Schnittstelle von Klasse, Ethnizität, sexueller Identität oder Orientierung sowie Behinderung. Wir fügen hinzu, dass die Sozialdemokratie sich sowohl an die Arbeiterklasse als auch an das neue Prekariat/„Proletariat“ wenden sollte, das durch die „Flexibilisierung“ und implizite Neoliberalisierung des Arbeitsmarktes entstanden ist, von den Lieferdienstarbeitnehmern bis hin zu den „selbständigen“ Kulturschaffenden (Marincea, 2023), da diese sozialen Kategorien häufig nicht über den für Festanstellungen typischen sozialen Schutz verfügen. Um diese Zielgruppen zu erreichen, fügt Cas Mudde hinzu, sollten die Sozialdemokraten eine neue politische und kulturelle Infrastruktur schaffen, die sich über den Wahlbereich hinaus auf Gewerkschaften, fortschrittliche Organisationen verschiedener Minderheiten – insbesondere solche mit sozialökonomischen Anliegen – und Basisgruppen in lokalen Gemeinschaften erstreckt.

Dass es eine sozialdemokratische Wählerschaft, d.h. eine Nachfrage nach dem sozialdemokratischen Angebot, gibt, zeigen verschiedene Umfragen der letzten Jahre. Die Daten sind eindeutig (Bădescu, Gog, Tufiș, 2022): Es gibt einen breiten Teil der Bevölkerung, der sich eine Politik für mehr soziale Gleichheit wünscht, sei es in Form von progressiver Besteuerung, Steuerbefreiungen für Mindestlohnempfangende  oder Wohngeld und Solidarität mit den am meisten benachteiligten Gruppen. Auf die Frage, was ihnen die größten Sorgen bereitet, antworteten die meisten Befragten in der INSCOP-Umfrage (September 2023): „der eigene Gesundheitszustand und jener der Familienangehörigen“, „steigende Preise“, „Korruption“, „der Zustand des Bildungssystems“. Und obwohl die 15- bis 29-Jährigen eher desinteressiert an Politik sind, könnten linke Botschaften ihr politisches Interesse steigern (Monitorul Social, 2019). All diese Daten unterstützen die Empfehlung an die sozialdemokratischen Parteien, zu einem Wahlangebot zurückzukehren, das stark in sozialdemokratischen Werten verankert ist. Dieses Angebot sollte als Antwort auf die gegenwärtigen Herausforderungen und Probleme verstanden werden: der geringe Zugang zu Wohnraum und Gesundheitsversorgung, die zunehmende Ungleichheit, die Instabilität des Arbeitsplatzes und das Ungleichgewicht zwischen Privatleben/Haushaltsarbeit (ein Bereich, der immer noch die Frage der Geschlechterrollen aufwirft) und Arbeit. Darüber hinaus sind auch Teile der Mittelschicht von Ungleichheit betroffen und benötigen ein größeres Sicherheitsnetz des Staates (Halikiopoulou & Vlandas, 2022).

Sogar die rechtspopulistischen Parteien (wie die AUR) versuchen, diese Bedürfnisse anzusprechen, sei es durch die „Medizinische Karawane“, sei es durch eine Kombination aus versprochenen liberalen Maßnahmen wie „drastische Senkung von Steuern, Renten-, Sozialversicherungs- und Gesundheitsbeiträgen“ mit sozialen Maßnahmen wie der Anhebung des Bruttomindestlohns auf 5 000 Lei (ca. 1 000 Euro) oder mit sozialökonomischen Maßnahmen, die auf gefährdete Gruppen abzielen – Menschen mit Behinderungen, Menschen, die von extremer Armut bedroht sind, usw. 

Sozialdemokratische Parteien haben daher nichts zu gewinnen, wenn sie die (ultra)nationalistische und (ultra)konservative Politik der rechtsradikalen Populisten übernehmen oder zu kopieren versuchen. Vielmehr sollten sie sich links-spezifische Werte und Politiken zu eigen machen, bei denen es um den (Wieder-)Aufbau einer sozialökonomisch gerechteren Gesellschaft geht. Nur so können die Sozialdemokraten ihre angestammte Wählerschaft zurückgewinnen, die durch eine zu starke „Zentrierung“ unter dem Druck des Neoliberalismus entfremdet wurde. Während die rechtsradikalen Populisten in der Regel einen „chauvinistischen Wohlstand“ vorschlagen, der nur einigen wenigen zugutekommt und auf ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Nationalität usw. beruht, sollten die Sozialdemokraten einen integrativen Wohlstand vorschlagen, der den sozialökonomischen Schutz insbesondere der schwächsten Gruppen erhöht. Sie sollten ihre Position stärken, konkrete Lösungen für relevante sozialökonomische Probleme formulieren, positive und integrative Botschaften an die Wählerschaft richten – und diese auch befolgen – und es vermeiden, in das für die radikale Rechte typische antagonistisch-identitäre Terrain gezogen zu werden.

Wir schließen mit einigen ergänzenden Schlussfolgerungen und Empfehlungen auf der Grundlage der Studie von Krell et al. (2018) zu den Strategien, die von Parteien in den skandinavischen Ländern und in Deutschland, den Ländern mit den am stärksten konsolidierten sozialdemokratischen Systemen, als Reaktion auf die radikale populistische Rechte angewandt werden, sowie zu den Auswirkungen dieser Strategien.

Referenzen

Andrei, Cristian, „EXCLUSIV. AUR contraatacă ofensiva mediatică a PSD și PNL: și-a făcut ziar de propagandă cu patru milioane de exemplare în trei luni. Banii vin de la bugetul de stat”, Libertatea, 30 noiembrie 2023, https://www.libertatea.ro/stiri/exclusiv-aur-contraataca-ofensiva-mediatica-a-psd-si-pnl-si-a-facut-ziar-de-propaganda-cu-patru-milioane-de-exemplare-in-trei-luni-banii-vin-de-la-bugetul-de-stat-4730131.

Bădescu, Gabriel, Sorin Gog, Claudiu Tufiș, „Atitudini și valori de tip progresist în România”, Friedrich Ebert Stiftung România, București, 2022, https://library.fes.de/pdf-files/bueros/bukarest/19247.pdf.

Expert Forum, „Subvențiile pentru partidele politice: creșteri ale cheltuielilor, populism și rectificări bugetare fără justificare”, 2 august 2023, https://expertforum.ro/subventii-partide-2023/.

Halikiopoulou, Daphne, Tim Vlandas, „Understanding Right-wing Populism and What to Do about It”, Friedrich Ebert Stiftung Regional Office for International Cooperation –Democracy of the Future, Viena, 2022, https://library.fes.de/pdf-files/bueros/wien/19110-20220517.pdf.

Ivan, Ruxandra, „‘The improbable left’: Social Democracy in Romania”, FEPS – Foundation for European Progressive Studies and the Karl-Renner-Institut, Bruxelles, 2023, https://feps-europe.eu/wp-content/uploads/2023/08/Next-Left-Country-Case-Studies-Romania.pdf.

Krell, C., H. Mollers, N. Ferch, “Reclaiming Action-Progressive Strategies in Times of Growing Right-Wing Populism in Denmark, Norway, Sweden and Germany”, Friedrich-Ebert-Stiftung Nordic Countries, Stockholm, 2018, https://library.fes.de/pdf-files/bueros/stockholm/14617-20180920.pdf.

Marincea, Adina, „Proiectariatul Precar dincolo de miturile urbane. Bune practici în lupta cu (auto)exploatarea sistemică”, Cutra, 2023, https://cutra.ro/proiectariatul-precar-dincolo-de-miturile-urbane/.

Mudde, Cas, „Why Copying the Populist Right Isn’t Going to Save the Left”, The Guardian, 14 mai 2019, https://www.theguardian.com/news/2019/may/14/why-copying-the-populist-right-isnt-going-to-save-the-left.

Simina, Anca, gazdă, „Bani publici pentru presa privată. Povestea unei investigații în conturile partidelor-mogul”, On the Record, Recorder, 16 septembrie 2022, https://recorder.ro/bani-publici-pentru-presa-privata-povestea-unei-investigatii-in-conturile-partidelor-mogul/

Simina, Codruţa, „Rețeaua de AUR. Partidul plătește Facebook pentru a-și amplifica mesajele sub identități false”, PressOne, 11 mai 2021, https://pressone.ro/reteaua-de-aur-partidul-plateste-facebook-pentru-a-si-amplifica-mesajele-sub-identitati-false/.  

Simina, Codruța, Ovidiu Mihalcea, „SPECIAL: 19 «publicații independente», marca AUR, plătesc Facebook pentru a amplifica propagandă de partid și conținut fals”, Misreport, 14 noiembrie 2023, https://misreport.substack.com/p/special-19-publicatii-independente.

 

Über die Autorin:

Adina Marincea ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Nationalen „Elie Wiesel“-Institut für die Erforschung des Holocausts in Rumänien, wo sie den rechtsextremen Diskurs und seine Erscheinungsformen in Rumänien analysiert. Sie hat im Bereich Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit promoviert und als Postdoktorandin über den populistischen Diskurs der Rechtsradikalen in Rumänien geforscht.

Die in diesem Artikel zum Ausdruck gebrachten Meinungen spiegeln nicht zwangsläufig die Einstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) wider.

 

 

 

 

 

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